Autobiografien – mehr als Nabelschau?

Bruce Springsteen   Foto: Bill Ebbesen

Autobiografien boomen. Kaum ein Promi, der glaubt, heutzutage auf so etwas verzichten zu können. Viele lassen deshalb auch schreiben oder nehmen sich zumindest einen versierten Co-Autor an ihre Seite und erzählen die eigene Lebensgeschichte oder Teile davon im Rückblick. Es ist an der Zeit, hier mal etwas die Spreu vom Weizen zu trennen:

Goethe, Gandhi und Mandela haben es getan. Ebenso Boris Becker, David Beckham und Arnold Schwarzenegger. Aber auch Thomas Gottschalk und Nadel el Farrag. Man ahnt es: in qualitativ ziemlich unterschiedlicher Art und Weise.

Beginnen wir mal mit Boris Beckers Buch Das Leben ist kein Spiel. Alle, die bisher glaubten, das Leben sei kein Ponyhof, werden hier eines Besseren belehrt und erfahren in diesem Schmöker – wenn man dem Verlag glaubt – die “ungeschminkte Wahrheit” auf unterhaltsame Weise über einen, über den es “bisher nur Halbwahrheiten” gebe.

Auch bei der englischen Fußball-Ikone David Beckham gibt man sich redlich Mühe, dem Leser das autobiografische Machwerk Mein Leben schmackhaft zu machen: Beckham sei keiner, der nachtrete, heißt es da in der Produktbeschreibung. Hier werde aufgezeigt, wie er sich von seinem Entdecker Alex Ferguson emanzipierte, ohne seinen Mentor und Ziehvater an den Pranger zu stellen. Dann das: Das habe ebenso viel Stil wie seine Freistöße. Naja. Man merkt, dass BBC-Journalist Tom Watt an dem Buch mitgeschrieben und bekommt das bestätigt, was jeder, der mal ein Interview mit Beckham gesehen hat, ohnehin vermutet hatte.

Okay, wenn schon, denn schon: Auch der Ex-Bodybuilder und Ex-Gouverneur von Kalifornien Arnold Schwarzenegger meint 2012 mit Die wahre Geschichte meines Lebens den internationalen Büchermarkt um ein weiteres Produkt bereichern zu sollen. Immerhin erzählt er recht plausibel die Geschichte von einem Grazer Stadtrandjungen, der sich mit eisernem Willen und harter Arbeit seinen Traum vom Aufstieg erfüllt und kann damit durchaus als zeitgenössischer Vertreter des American Dream durchgehen.

Wirklich spannend ist der Blick hinter die Kulissen des schönen Scheins des Musikgeschäfts, wie ihn die gestandenen Musiker Bob Dylan mit Chronicles und Bruce Springsteen in Born to Run werfen und einen auch hautnah an den Schattenseiten des Popstardaseins teilnehmen lassen. Letzterer räumt sogar ein, dass der vielzitierte Slogan “Ich habe die Zukunft des Rock’n Roll gesehen, sie heißt Bruce Springsteen.” keinesfalls von einem Musikjournalisten stammt, der Springsteen live im Konzert gesehen hatte, wie es lange kolportiert wurde, sondern dass dieser Satz als kühl kalkulierter Werbeslogan aus Springsteens direktem Umfeld stammt und gezielt eingesetzt wurde, um den aufsteigenden Popstar medial zu pushen. Diese Rechnung ist voll aufgegangen. Bei Dylan erfährt viel über das Songschreiben und wie er seine Alben im Studio aufgenommen hat. Kurzweilig und lesenswert.

Ebenfalls empfehlenswert ist Nelson Mandelas Der lange Weg zur Freiheit. Hier nimmt eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts die Leser mit auf eine lange und schwierige Lebensreise, die ihn nach fast drei Jahrzehnten Gefängnishaft dann doch noch zum Ziel führte und zum ersten farbigen südafrikanischen Präsidenten machte, der zur Versöhnung aufrief und diese selbst auch vorlebte. Ein eindrucksvolles Zeugnis.

Auch lesenswert: Marcel Reich-Ranickis Mein Leben, Albert Schweizers Aus meinem Leben und Denken und diese beiden Klassiker des Genres: Rousseaus Bekenntnisse und George Sands Geschichte meines Lebens.

Ein Beitrag von Hans G.

 

 

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