Christo geht leise – ein Nachruf

Sein letztes großes Verhüllungswerk sollte der Arc de Triomphe in Paris werden. Im September 2021 sollte das berühmte Wahrzeichen mit 25.000 Quadratmetern recycelbarem Material silberblau umhüllt werden. Das wird der weltberühmte bulgarisch-amerikanische Künstler Christo nun nicht mehr erleben, er starb am 31. Mai in seiner Wahlheimat New York eines natürlichen Todes.

Glänzende farbige Stoffe, die Gebäude oder ganze Landstriche verhüllten, waren sein Markenzeichen. Zusammen mit seiner Frau Jeanne-Claude, die bereits 2009 starb, verhüllte er auch den Reichstag in Berlin und viele andere berühmte Bauwerke. Ziel war es stets, durch Verhüllung Neugier auf “das Echte” zu erzeugen. Christos Biograf David Bourdon spricht einmal zutreffend vom “Enthüllen durch Verbergen”.

Christo und Jeanne Claude planten gemeinsam groß angelegte Projekte wie den überdimensionalen Vorhang “Valley Curtain” durch ein breites Tal in Colorado. Spektakulär waren die rosa ummantelten Inseln “Surrounded Islands” in Florida und die verhüllte Brücke “Pont Neuf” in Paris.

Vor 25 Jahren verbarg das Künstlerpaar dann zwei Wochen lang den deutschen Reichstag hinter silberglitzernden Stoffbahnen, und 2016 wandelten in Italien 1,3 Millionen Besucher auf den schwimmenden “Floating Piers” über den Iseo-See. “Ich liebe echte Dinge, echten Wind, echte Trockenheit, echtes Nass, echte Angst und echte Freude”, erklärt Christo vor einer italienischen Schulklasse in dem Dokumentarfilm “Walking on Water.” Beide Aktionen sind bis heute im kollektiven Gedächtnis geblieben.

Am 13. Juni 1935 wird Christo Vladimiroff Javacheff in Bulgarien geboren. Er studiert Malerei, Bildhauerei und Architektur in Sofia. 1956 flieht er über die tschechoslowakische Grenze in den Westen. In Paris findet erAnschluss an die Künstler der nouveaux réalistes, die Objekte aus der Realität in die Kunst integrierten und verfremdeten.

Um Geld zu verdienen, malt Christo nebenbei Portraits und lernt dabei im Hause eines Generals dessen Tochter Jeanne-Claude kennen. Zufällig war sie am gleichen Tag wie er geboren. Jeanne-Claude war Christos Charme erlegen, die Begeisterung für seine Kunst kam später. Christos künstlerisches Wirken bereicherte sie durch ihr großartiges Organisationsvermögen.

Seit 1972 stand Wolfgang Volz dem Paar als “Hausfotograf” zur Seite. “Obwohl Christo einen Weltruf hatte, habe ich nie ‘für’ die beiden gearbeitet, sondern ‘mit’ ihnen als gleichberechtigter Partner”, sagt Volz. Deshalb habe die Beziehung so lange gehalten.

Christo war bekannt für sein aufbrausendes Temperament und für seine Hartnäckigkeit, wenn es darum ging, die bis ins Detail ausgearbeiteten Konzepte seiner Werke genau nach seinen Vorstellungen zu realisieren.

Seine Stoffbahnen ließ Christo gerne von deutschen Firmen anfertigen. In Deutschland realisierte er auch eins seiner schwierigsten Projekte, die Verhüllung des Berliner Reichstages 1995, bei der Exklusivfotograf Wolfgang Volz auch die Projektleitung übernahm. Innerhalb von zwei Wochen befühlten und bestaunten fünf Millionen Menschen den silbrig glitzernden Stoff, der den Reichstag umhüllte. Über 20 Jahre hatte Christo darauf gewartet, dieses Projekt zu realisieren.

Die Idee der Freiheit war für ihn immer der Motor seiner Kunst. Die Großprojekte im Freien waren bewusst nur kurze Zeit zu sehen, dafür aber öffentlich und für alle kostenfrei zugänglich. “Dass sie wieder verschwinden, ist Teil des ästhetischen Konzepts. Dadurch sind sie tief verwurzelt im Begriff der Freiheit, denn Freiheit ist der Feind des Besitzes, und Besitz ist gleichbedeutend mit Dauerhaftigkeit”, sagte Christo zur Arbeit am Berliner Reichstag. Um unabhängig zu bleiben, finanzierte er seine Projekte selbst aus dem späteren Verkauf von Skizzen und Objekten. Jeanne-Claude hat es einmal so ausgedrückt: “Wir machen Kunst auf Zeit, deren Inhalt Freude und Schönheit ist”.

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