JGS-Filmtipp: Ein Leben lang

Qualitativ hochwertige TV-Filme sind rar, nicht nur bei den Privatsendern, sondern auch im öffentlich-rechtlichen TV. Umso erfreulicher, wenn sich hin und wieder ein richtig gut gemachter Fernsehfilm gleichsam ins Programm schleicht und fasziniert, so wie das Regisseur Till Endemann, der an der Ludwigsburger Filmakademie studiert hat, mit der Dreieckgeschichte “Ein Leben lang” jetzt gelungen ist:

Die Ausgangssituation: Ein älteres Paar kehrt zurück in ihr ehemaliges „Paradies“: Elsa (Corinna Kirchhoff) und Arthur (Henry Hübchen) lassen wieder Luft und Licht hinein in das idyllisch am See gelegene Häuschen, in dem sie einst die schönsten Tage ihres gemeinsamen Lebens verbracht haben.

Doch Arthur ist an Demenz erkrankt, und Elsa, obwohl sie von ihm vor vier Jahren für eine Jüngere verlassen wurde, kümmert sich jetzt wieder um ihren nun ebenfalls verlassenen Ehemann. Das Haus am See müssen sie verkaufen, sonst ist der teure Platz für Arthur in einem Pflegeheim nicht bezahlbar für die beiden.

Einfach überragend, wie Corinna Kirchhoff die Bitterkeit und zugleich die Zärtlichkeit einer enttäuschten und doch fürsorglichen Partnerin zum Leben erweckt. Was für eine Ausdruckskraft in diesem vom Leben gezeichneten Gesicht, in dem sich Erschöpfung, tiefer Schmerz, die vergangene und die verbliebene Liebe, aber auch Willensstärke und Härte spiegeln.

Auch Henry Hübchen überzeugt als knurriger Antagonist, der die Tragik der verlorenen Erinnerung spüren und gleichzeitig immer mal wieder den Charme des früheren Arthur aufblitzen lässt, der einst ein gefeierter Schlagerstar war.

Sorin, ein von der Liebe enttäuschter Individualist, komplettiert das Figurenarsenal: Elsa stellt ihn als Handwerker beim Renovieren und Entrümpeln des marode gewordenen Hauses an. Mit der Musikerkarriere in Berlin hat es nicht geklappt, nun jobbt er als DJ, trinkt viel und lebt auf einem Hausboot. Er sorgt für den Gegenpol zu dem Paar am Ende ihres langen Weges und bringt die Handlung ins Rollen. Eugen Knecht gibt den äußerlich harten, im Herzen aber menschlichen und gutmütigen Einzelgänger glaubwürdig und souverän, ohne – und das ist bemerkenswert – gegenüber Kirchhoff und Hübchen abzufallen.

Über die Musik finden er und Arthur schnell einen gemeinsamen Nenner und nach schwierigem Start entwickelt sich auch zwischen Sorin und Elsa eine besondere Nähe, die so gekonnt erzählt und gespielt wird, dass auch das gemeinsame Bad im abendlichen See kein bisschen aufgesetzt wirkt.

Sorins natürliche Selbstverständlichkeit im Umgang mit ihrem kranken Mann schafft den Raum dafür, dass Elsa den untreuen Arthur mit einem versöhnlichen, tröstlicheren Blick zu betrachten lernt. Und Sorin kann seinerseits von der Lebenserfahrung der Älteren profitieren, er wird – wie von Elsa empfohlen – seine Tochter zum Geburtstag in Berlin mit seinem Besuch überraschen.

Der Film zeigt in ruhigen Bildern ein dichtes hochemotionales Beziehungsspiel im herbstlich-melancholischen Brandenburg. Das Finale lässt sich erahnen, ist aber alles andere als ein aufgesetztes oder kitschiges Happy End.

Dem kleinen und feinen Ensemble ist unter Till Endemanns hervorragender Regie ein sehr reifer, tiefgründiger und berührender Film über die Liebe und den Wert des Zusammenlebens gelungen.

“Ein Leben lang” ist in der ARD Mediathek zu sehen. Unbedingt anschauen!

Fotos: WDR/Flare Film/Nadja Klier

Henry Hübchen in "Ein Leben lang"

 

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