Renaissance eines Genres: der Künstlerroman seit 1900

Der Künstlerroman ist ein literarisches Genre, in dem das Leben eines Künstlers in allen Facetten erzählt wird, wobei die Hauptfigur des Romans oder der Novelle real, fiktiv oder historisch sein kann.

Thomas Mann setzt in Tod in Venedig bereits vor dem 1. Weltkrieg mit der Figur des alternden Schriftstellers Gustav von Aschenbach einen wichtigen Akzent. Sein irischer Kollege James Joyce zieht 1916 mit A Portrait of the Artist as a Young Man nach und schafft mit Stephen Dedalus eine literarische Figur, die autobiografische Züge trägt und den Wunsch hat, Irland zu verlassen. Während Joyce Kindheit, Jugend und Studienzeit seines Protagonisten ins Visier nimmt, konzentriert sich Hermann Hesse 1920 in Klingsors letzter Sommer ganz auf die letzte Lebensphase seiner Titelfigur.

1947 legt Thomas Mann mit Doktor Faustus mit einer Art Lebensbeichte nach. Das Resultat ist ein Text mit essayistischen Zügen, der detailliert und mitunter ironisch die Kluft zwischen einer bürgerlicher Existenz und dem Künstlerdasein reflektiert.

Der russische Autor Boris Pasternak landet mit seinem Roman Doktor Schiwago 1956 einen Bestseller. Der Roman erzählt vor allem die Lebensgeschichte des russischen Arzts und Dichters Juri Andrejewitsch Schiwago, verknüpft aber auch die Schicksale einer ganzen Fülle von Figuren zu einem großen gesellschaftlichen Panorama. Pasternak bekommt zwei Jahre später den Literaturnobelpreis zugesprochen.

Seit den 1990er-Jahren blüht das Genre Künstlerroman wieder auf, etwa mit Robert Schneiders Schlafes Bruder oder Im Licht der Lagune von Hanns-Josef Ortheil, in dem der englische Maler William Turner eine wesentliche Rolle spielt.

Markus Orths gelingt 2017 dann mit Max ein vielschichtiges Gesellschaftsporträt des 20. Jahrhunderts rund über die faszinierende Figur des Malers, Grafikers und Bildhauers Max Ernst. Ein exzellent recherchiertes und großartig geschriebenes Buch – sehr lesenswert!

Foto: Llywelyn2000

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