Utopische und dystopische Literatur im 20. Jahrhundert

Mit utopischer Literatur bezeichnet man literarische Werke, die sich mit einer idealisierten Gesellschaft auseinandersetzen, deren Realisierung für die Zukunft als denkbar und erreichbar gehalten wird. Der positiv konnotierte Zukunftsentwurf wird der gegenwärtigen gesellschaftlichen Realität, die der Autor als defizitär und deshalb verbesserungswürdig empfindet, gegenübergestellt. Dystopische Literatur hingegen zeigt mögliche negative Zukunftsentwicklungen auf, die Autoren wollen damit aufrütteln und rechtzeitig vor einsetzenden Fehlentwicklungen mit fatalen Folgen warnen:

6 Jahre vor Beginn des 20. Jahrhunderts hat der englische Autor H. G. Wells bereits den Boden bereitet für den Boom, den dieses Genre im 20. Jahrhundert erleben sollte. Sein Roman Time Machine von 1894 stellt die Reise in eine sehr ferne Zukunft dar, in der die Menschen das Paradies auf Erden erreicht zu haben scheinen, dabei aber des wirklichen Menschseins verlustig gegangen sind. 1905 legt er nach mit A Modern Utopia, der Titel spielt auf Utopia von Thomas Morus von 1516 an, kann aber nicht an den Erfolg von Time Machine anknüpfen.

1930 landet Aldous Huxley mit seiner Negativutopie mit dem ironisch gemeinten Titel Brave New World (Schöne neue Welt) einen großen Erfolg, er löst damit einen Boom aus. George Orwell bedient mit Animal Farm und 1984 in den 1940er-Jahren das Genre ebenso wie Ray Bradbury mit Fahrenheit 451 und William Golding mit Lord of the Flies in den frühen 50er-Jahren. 1962 greift Huxley dás Thema in seinem Spätwerk Island noch einmal auf.

In den 1970er-Jahren verschiebt sich der Akzent dann etwas. Ernest Callenbach plaziert 1975 seinen Roman Ecotopia genau in die Zeit des erwachenden und zunehmenden Umweltbewusstseins und trifft damit voll den damaligen Zeitgeist, während die Autorinnen der 90er-Jahre wie Lois Lowry und Octavia E. Butler wieder andere Schwerpunkte setzen und Themen wie Minderheiten und Unterdrückung dystopisch ins Visier nehmen. Lowrys Roman Hüter der Erinnerung ist dann auch verfilmt worden, der Film ist aber bei weitem nicht so gut wie das Buch.

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