Extremwandern und Draußenseinkönnen in der Pandemie

 

Foto: Ath29

Ein guter Freund von mir und seine Frau haben in 7 Etappen Deutschland von Flensburg bis zur Zugspitze durchwandert. Das ist schon was und durchaus bemerkenswert. Für die 54-jährige Ex-Managerin Christine Thürmer wäre das aber noch nicht genug. Sie hat mehr 50 000 Kilometer per Pedes zurückgelegt, ist schon den Pacific Crest Trail von Mexiko nach Kanada gewandert und hat ein tolles Buch darüber geschrieben und ist jetzt trotz Pandemie auf Schusters Rappen durch Masuren unterwegs.

Am 17. März bin ich losgewandert, sagt sie am Telefon, in Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze. Da sah zunächst alles super aus. Polen war offen, man brauchte nicht mal einen Test, um reinzukommen. Doch kaum war ich drei Stunden in Polen und hatte meine ersten Kilometer gemacht, haben mich meine polnischen Freunde informiert, dass Polen in ein paar Tagen in den harten Lockdown geht. Ich hab mir erst mal die Haare gerauft und dachte: Was mache ich jetzt, geh ich zurück oder was tu ich jetzt? Aber ich bin als Wanderin unabhängig, ich kann ja zelten und bin nicht auf die Unterkünfte angewiesen. Nach langem Überlegen bin ich dann einfach weitergewandert, mittlerweile bin ich seit gut einem Monat hier on the road.

Ab und zu habe sie auch mal eine Unterkunft genommen, erzählt sie, Polen sei da sehr fortschrittlich. Ich habe noch keinen einzigen meiner Vermieter gesehen, hier läuft alles kontaktlos. Ich bin ausschließlich in Ferienwohnungen und hier erfolgt der Zutritt zum Haus, also bei großen Wohnblocks, über den Nummerncode. Man bekommt da zwei Nummern, eine für die Haustür, eine für das Apartment, ich seh da keinen einzigen Menschen.

Ist das manchmal nicht auch etwas einsam? Nein, ich bin ja gut vernetzt, telefoniere viel beim Wandern, ich höre Podcasts und Hörbücher. Also, langweilig ist mir wirklich nie.

Sie haben einmal gesagt, Lebenszeit sei das Wichtigste in ihrem Leben, weil Lebenszeit im Gegensatz zu Geld nicht vermehrbar sei. Gilt das heute immer noch für Sie? Absolut, ich bin hier völlig selbstbestimmt, die einzige Regel, die ich hier habe: Sonnenaufgang und Sonnenuntergang und wie ist das Wetter gerade. Diese Freiheit genieße ich total. Ich versuche, meine kostbare Lebenszeit mit dem auszufüllen, was mir am meisten Spaß macht, am meisten Abwechslung bringt und was mich am meisten erfüllt – und das ist tatsächlich das tägliche Draußensein. Gerade jetzt, wo man ja sonst im Lockdown quasi eingesperrt sitzt, habe ich wirklich den Luxus hier, frei und selbstbestimmt durch die Gegend zu wandern. Das ist einfach toll, gerade jetzt wird mir wieder bewusst, was für ein toller Lebensstil das ist.

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