JGS-Lesetipp: Das Zimmermädchen von Markus Orths

Die Protagonistin Lynn putzt im Hotel Eden und stöbert gern herum in allem, was sie dort vorfindet: Zettel, Bücher, Kulturbeutel, Medikamente und manches mehr. Erst agiert sie noch vorsichtig, bald wird sie immer dreister. Sie beschnuppert die fremden Kleider, dann zieht sie sie auch an.

Einmal hört sie Schritte auf dem Flur und weiß sofort, sie werden Halt machen vor dem Zimmer, in dem sie steht und längst nicht mehr stehen dürfte. Ihr einziger Zufluchtsort: Sie kriecht unters Bett und verbringt die Nacht dort. Mit dem Gast über ihr.

Lynn weiß schnell, dass sie es wieder tun wird. Ab jetzt liegt sie einmal pro Woche unter den Betten der Gäste und lauscht auf das, was über ihr geschieht. Den Menschen nah und zugleich fern: wie unsichtbar.

Das Zimmermädchen ist das intensive Porträt einer sehr eigenwilligen jungen Frau, wirft aber auch einen Blick auf Aspekte unserer heutigen Gesellschaft. Und es ist klar: Nach der Lektüre dieses Buchs wird man nie wieder in einem Hotel übernachten, ohne vorher unters Bett zu schauen.

Was sagen die Anderen dazu?

Die Literaturkritik zeigt sich angetan: “Die temporeiche Erzählung wechselt zwischen intimer Nähe beim Belauschen der Gäste und der Enge, unter der Lynn in ihrem Versteck leidet. Beklemmend und komisch zugleich,” so die Saarbrücker Zeitung.

“Spannungsvoll, verstörend, unheimlich und ein bisschen ‘spooky’, all das ist Orths preisgekrönter Roman Das Zimmermädchen,” befindet Gerhild Wissmann in der Rheinpfalz.

Meike Fessman in der SZ weist zu Recht darauf hin, dass der Roman eine über die Hauptfigur hinausweisende Ebene enthält: “Das Zimmermädchen überzeugt als Spiegel allgemeiner Ängste. Geschickt spielt der Roman auf der Klaviatur unseres gestörten Raumempfindens. Der Roman legt den Finger auf die Wunde der Dienstleistungsgesellschaft und zeigt, dass wir gesehen und gehört werden.”

Das Kalkül des Autors und diese zweite Ebene erkennt auch Nicole Henneberg in der FR: “Ein genialer erzählerischer Kunstgriff, es geht nicht nur um Voyeurismus, sondern auch um das Rätsel, das wir uns selbst sind.”

“In knappen Sätzen beschreibt Orths die Skepsis über eine Gesellschaft, in der das Verhältnis zwischen Distanz und Nähe gestört ist,” konstatiert Karin Grossmann in der Sächsischen Zeitung. Sagen wir mal so: ein Buch, das auf großartige Art Tragisches und Komisches verbindet. Sehr lesenwert!

Foto: Harald Krichel

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