Kommt uns nur noch die Komödie bei?

Der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt zog einst das Fazit, wonach uns Menschen nur noch die Komödie beikomme. Dürrenmatt war Pessimist und das Nachkriegseuropa der 1950er-Jahre freilich eine ganz andere Zeit als die frühen Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts, dennoch macht es Sinn, der Frage, welche Darstellungsform für Zeitkritik heute geeignet sein könnte, einmal nachzugehen.

Die Dichotomie von Tragödie und Komödie, die Dürrenmatts These zugrunde liegt, wird schon den späteren 50er-Jahren aufgeweicht. “Birthday Party” von 1957 aus der Feder des späteren Literaturnobelpreisträgers Harold Pinter etwa zeigt, wie nahe beide Kategorien einander kommen können, man fand dafür den Begriff Tragikkomödie. Wie Goldberg und McCann Stanley fertigmachen, hat durchaus tragische Züge, wenngleich dem Protagonisten die antike Fallhöhe fehlt, aber das latent dämlich-naive Geplapper von Meg und Petey fällt fast schon ins komödiantische Fach.

Oder Becketts “Warten auf Godot”? Teile der Sekundärliteratur suhlten sich jahrelang im Diskutieren der Frage, wer Godot sei und warum er nicht komme, andere erkannten eher das enorme Komik-Potenzial des Stücks, das in dem ziemlich auf den Hund gekommenen Duo Estragon und Vladimir angelegt war. Und natürlich entsteht hier Distanz. Welcher Zuschauer identifiziert sich schon mit einer dieser beiden armseligen Figuren? Vielmehr motivieren diesen beiden schrägen Vögel den aufmerksamen Theaterbesucher eher dazu, eben nicht die Zeit passiv zu vertrödeln, sondern etwas daraus zu machen.

Hilft vielleicht Satire oder Kabarett? Rückblende: Schon der antike Satiriker Juvenal wusste um die Diskrepanz zwischen der Realität und dem Sein-Sollenden: “Da fällt es schwer, keine Satire zu schreiben,” folgerte er. Offensichtlich empfand er die Umstände damals so, dass er anderen die Augen öffnen und mit ihnen Veränderungen in seinem Sinne herbeiführen wollte.

Für Kurt Tucholsky war der Satiriker ein gekränkter Idealist: “Er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.”

Das schönste, weil hintergründigste Apercue in diesem Zusammenhang stammt aber von Karl Kraus, er haut so richtig auf die Pauke, wenn er sagt: “Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.”

Und heute? Der gebürtige Paderborner Kabarettist Rüdiger Hoffmann ist ein Meister des kalkuliert trockenen Humors. Sein Markenzeichen ist die extrem langsame, bewusst leicht dümmlich wirkende Sprechweise, er weiß genau um die Bedeutung des Rituals in seinem Fach und beginnt seine Performance stets mit dem Satz: “Ja, hallo erst mal! Ich weiß gar nicht, ob Sie’s wussten, aber ….”

Sein Kollege Bodo Bach zieht etwas andere Register. Er präsentiert die Bühnenfigur Bach im schnoddrig hessischen Dialekt, bedient sich gekonnt mannigfaltiger Spießer-Klischees, um sie dann ad absurdum zu führen, verknüpft geschickt – fast wie der englische Dramatiker Tom Stoppard – Bühnen- und Alltagsrealität und lässt das Publikum mitunter scheinbar an seinem Privatleben teilnehmen, indem er seinen Sohn Rüdiger alias Rüdischä als Nebenfigur in seine Bühnenshows einbaut.

Oder Uli Keuler, der sich selbst nicht Kabarettist, sondern Komiker nennt, und der der schwäbischen Volksseele seit Jahrzehnten eifrig auf der Spur bleibt und dem Publikum manchmal den Spiegel so geschickt vorhält, dass viele es gar nicht merken. Ein Karl Kraus hätte auch daran seine helle Freude gehabt.

Ein Beitrag von Hans G.

Foto: bdk

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