Lieblingscafes

Kaffeehäuser hatten es hierzulande lange schwer. Während sich die Kaffeehaustradition in europäischen Großstädten lang zurückverfolgen lässt, nimmt sie hier erst in den 1950er- und 1960er-Jahren so richtig Fahrt auf. Nehmen wir das Beispiel Tübingen: 1959 machte hier das “Hanseatica” auf, ein schickes Stehcafe, das bis heute seine treue bunte Stammkundschaft hat, im Volksmund “Hanse” oder auch “Voyeurcafe” genannt, wohl, weil man an der breiten Fensterfront stehend fast gar nicht anders kann, als den Passanten, die die Hafengasse traversieren, mehr oder weniger hinterherzuschauen und dabei ein Tässchen vom besten Kaffee in TÜ und dazu vielleicht ein oder auch zwei Baggios zu genießen.

Oder früher das gute alte “Cafe Pfuderer”, das war so was wie ein Stück zweite Heimat auf zwei Etagen, oben am Fenster mit dem sagenhaft schönen Blick auf den Marktplatz, wenn man – was oft nicht einfach war – einen solchen Platz ergattert hatte. Generationen von Studierenden haben sich hier die Köpfe heiß geredet und dabei manch Schwarzwäldertorte oder leckeren Apfelkuchen mit Sahne verdrückt. Heute heißt es “Ranitzky” und setzt auf modernes Flair.

Aber auch einst das “Cafe Villa” in Heidelberg, in dem es am Sonntagmorgen schon den wunderbaren Brunch zu erschwinglichen Preisen gab, als das Wort Sonntagsbrunch von der Mannheimer Dudenredaktion noch gar nicht lexikalisiert worden war. Auf bequem gepolsterten Sitzbänken konnte man schlemmen und dem Barkeeper bei der Arbeit hinter dem Tresen zuschauen und jeder, der rein- oder rauskam, flanierte vorbei. Sehen und gesehen werden, das war das Motto im Villa in den 1980er- und 90er-Jahren.

Mein Lieblingscafe in diesem Land liegt jedoch ganz im Norden des Landes, im Ostertorviertel in Bremen, direkt an der Weser und heißt “Cafe Ambiente”. Warum das so ist, will ich hier gar nicht verraten, nur soviel: Es hat etwas mit dem einzigartigen Flair zu tun.

Ein Einwurf von Hans G.

Hans G. ist ein fiktiver Nachkomme unseres Schulnamensgebers Johannes Gutenberg. Er lebt im 21. Jahrhundert und macht sich – wie Ihr wahrscheinlich auch – immer wieder so meine Gedanken zu diesem und jenem Thema.

In  “My View – Kolumne von Hans G.” geht es nicht darum, die großen Fragen der Menschheit zu bedenken oder gar zu klären, hier dreht sich alles um die kleinen Dinge, die man mitunter am Wegrand findet und vielleicht auch mal aufgabelt, um sie mit anderen Menschen zu teilen.

Eins ist dabei freilich wichtig: meinungsstark, unterhaltsam und subjektiv soll es sein.

Lesetipp: “Wahlbekanntschaften. Menschen im Cafe” von Jutta Voigt

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