Vom Aufstieg der Kurzgeschichte im 20. Jahrhundert

Die Kurzgeschichte als eigenständiges literarisches Genre hatte es hierzulande zunächst nicht leicht und musste sich gegen diverse Vorbehalte in der Literaturkritik durchsetzen. In Amerika hingegen hatte sie ihren Siegeszug mit arrivierten Autoren wie O. Henry, Sherwood Anderson, Ernest Hemingway und William Faulkner längst begonnen. Im deutschsprachigen Raum musste sie sich einerseits von trivialen Formaten wie Anekdote und Kalendergeschichte, andererseits von der literarischen Novelle absetzen, was ihr erst nach 1945 dann doch gelang:

Im englischsprachigen Raum in Europa tut man sich mit der Short Story wesentlich leichter. James Joyce rechnet bereits 1912 in seiner Kurzgeschichtensammlung Dubliner knallhart mit seiner Heimatstadt ab, deren Kleingeistigkeit und Eingefahrenheit ihn in die Emigration ins italienische Triest treiben. J. B. Priestleys Ein Inspektor kommt gehört bis heute zu den Klassikern des Genres. Kennzeichen der Kurzgeschichte ist es, möglichst in einem Zug durchgelesen zu werden.

Wolfgang Borchert gehört zu den ersten Autoren, die sich hier dieses Genres bedienten. Seine Sammlung Die Hundeblume erscheint 1947. Andere legen nach: Siegfried Lenz mit seiner Sammlung So zärtlich war Suleykin, auch Heinrich Böll und Gabriele Wohmann prägen das erste Nachkriegsjahrzehnt des neuen Genres.

Später tritt dann eine weitere Verknappung auf. Autoren wie Peter Bichsel verdichten Stücke wie San Salvador auf knapp eine Seite, Kurt Marti und Reiner Kunze bleiben noch darunter.

In jüngster Zeit greifen zeitgenössische Topautoren wie Ralf Rothmann mit Rehe am Meer und Bernhard Schlink mit Sommerlügen und Liebesfluchten auf die klassische moderne Kurzgeschichtentradition zurück und verhelfen ihr zu einer erneuten Blütezeit.

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