Warum nicht “Brüder” von Jackie Thomae?

 

Foto: Hanser Literaturverlag

Mit ihrem Roman “Brüder” schaffte es die Berliner Autorin Jackie Thomae, unter die 6 Finalisten für den Deutschen Buchpreis 2019 zu kommen, auch wenn Sasa Stanisic schließlich das Rennen machte. Sicher keine schlechte Wahl, aber hätte sie ihn nicht auch verdient gehabt? Hans G., ein fiktiver Nachkomme von Johannes Gutenberg, der 21. Jahrhundert lebt, hat sich dazu seine Gedanken gemacht:

Ich finde, das ist ein echt klug konzipierter und rasant geschriebener Roman über zwei Brüder in den 90er-Jahren, die zwar denselben Vater haben, sich aber nicht kennen und ganz verschiedene Lebenswege einschlagen. Ihre Lebensgeschichten werden hier mal lässig, mal lakonisch oder leicht ironisch erzählt.

Der eine amüsiert sich auf Partys und schlägt sich als Lebemann in Berlin durchs Leben, der andere ist Workaholic und macht Karriere in London. Mit spielerischer Leichtigkeit und stilistischer Souveränität spielt die Autorin diese zwei Lebensentwürfe durch, die vor dem zeitlichen Horizont von deutscher Wiedervereinigung und Ost-West-Identitätsfindung jener damals jungen Generation zu verstehen sind.

In einer Zeit des Aufbruchs, in der ganz viel möglich schien, versuchen beide auf ihre Weise, ihr Leben in den Griff zu kriegen und zu bewältigen. Am Ende sind beide irgendwie auch am Ziel, und zwar recht unspektakulär, Jackie Thomae verzichtet darauf, den einen scheitern und den anderen reüssieren zu lassen. Jeder macht hier sein Ding. Und das ist gut so. Da bleibt richtig viel Raum für Witz, Geist und Esprit. Klasse.

Gestatten, dass ich mich kurz vorstelle, ich bin Hans G., ein fiktiver Nachkomme unseres Schulnamensgebers Johannes Gutenberg. Ich lebe im 21. Jahrhundert und mache mir – wie Ihr wahrscheinlich auch – immer wieder so meine Gedanken zu diesem und jenem. In “My View – Kolumne von Hans G.” geht es nicht darum, die großen Fragen der Menschheit zu bedenken oder gar zu klären, hier dreht sich alles um die kleinen Dinge, die man mitunter am Wegrand findet und vielleicht auch mal aufgabelt, um sie mit anderen zu teilen. Eins ist dabei freilich wichtig: meinungsstark, unterhaltsam und subjektiv soll es sein.

So, und jetzt schauen wir mal: Was sagen die anderen dazu?

Differenzierter äußert sich Rezensentin Juliane Liebert in der ZEIT: Zwei sehr verschiedene Leben seien dabei herausgekommen, die Hautfarbe spiele dabei eine kleinere Rolle als man denken könnte. Interessanter seien die Lebenskonzepte der beiden: das In-den-Tag-Leben des einen, der Ehrgeiz des anderen. Die beiden erzählten Lebensgeschichten bewiesen, dass die Praxis kultureller Vieldeutigkeit und fluider Identitäten den gängigen Theorien weit voraus sei. Zweifellos ein interessanter Gedanke.

Überwiegend positiv auch Marie Schmidt in der SZ: Sie nennt “Brüder” ein kluges Buch, an dem sie vor allem bewundert, wie die in der DDR geborene Autorin, die ihren aus Guinea stammenden Vater selbst erst spät kennenlernte, ihre Helden durch Liebes- und Alltagsabenteuer gleiten lässt, dabei Zeit- und Milieukolorit vorsichtig andeutet und die Themen Herkunft und Identität nur durchscheinen lässt.

Genug der Worte, jetzt ist Zeit, Euch eine eigene Meinung zu bilden!

“Brüder” von Jackie Thomae ist im Hanser-Verlag erschienen und kostet 23 Euro.

Text: ten

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