Teambuilding-Event für angehende Industriemeister Print, Medienfachwirte Digital und Print

Unter dem Titel „Erfahrungsorientiertes Teambuilding“ fand an der Johannes-Gutenberg-Schule am 11.02.2023 ein Workshop mit Johannes Guischard von der Firma STIHL statt. Was genau hierunter zu verstehen ist, sollte sich im Laufe des Tages zeigen. Er lobte die Eigeninitiative der Klasse, den Workshop auf die Beine gestellt zu haben und damit die Bereitschaft, Neues zu lernen und persönlich, beruflich und privat weiter kommen zu wollen.

Selbstorganisiertes Lernen
Vor allem in der Industrie sind Mitarbeiter hierzu schwer zu motivieren, auch wenn es anerzogen ist: schon in der Schule zeigt einem der Lehrer, was richtig oder falsch ist – die Schüler konsumieren, lernen und übernehmen es im besten Fall. Herr Guischard begeistert sich für Lernkultur. Ein Lehrender muss sich dafür interessieren, was sein Gegenüber lernen möchte, dass ein Geben und Nehmen stattfindet und die Parteien auf Augenhöhe sind, ohne Barrieren. Erst dann bringt es einen Mehrwert. Voraussetzung für ein gutes Team ist seiner Meinung nach eine Du-Kultur, weg vom Siezen, von Schubkästen und Rangordnung. Ein Du schafft eine viel offenere und vertrauensvollere Atmosphäre. Das hat man auch beim Familienunternehmen STIHL erkannt und umgesetzt, bei dem er schon seit 23 Jahren arbeitet und seit 7 Jahren Mitarbeiter betreut, Abteilungsreferent ist und technische Weiterbildungen sowie IT-Trainings organisiert.

Los geht’s!
Als Warm-Up möchte Herr Guischard von den Workshop-Teilnehmern die für den Tag gesetzten Ziele erfahren. Hierzu setzen sich alle mit ihren Stühlen zu einem Kreis, in dessen Mitte am Boden Postkarten mit unterschiedlichen Motiven verteilt werden. Jeder soll sich eine Karte heraussuchen und mit Blick auf das Motiv erklären, was er mit dem Thema Teambuilding assoziiert. Zur spielerischen Umsetzung wird ein Ball genutzt, den sich die Teilnehmer zuwerfen: das Wort hat immer der mit dem Ball in der Hand. Sport generell (u.a. Fußball, Kanufahren oder Bergsteigen) ist Teamsport und wird oft in Form der Postkarte als Motiv gewählt. Man muss sich organisieren, miteinander auskommen und kommunizieren, grundlegend sind Zusammenhalt und Vertrauen. Alle Teilnehmer sind gespannt auf den Workshop und welche Themen sie mitnehmen und für den Alltag nutzen können. Wofür steht eigentlich T-E-A-M? Bekannt sind Sprüche wie „Toll, ein anderer macht’s“ oder „Täglich einen anderen mobben“. Aber auch „Time, energy and money“ (Zeit und Energie aufbringen, dann bekommt man auch etwas) oder „Together everyone achieves more“ (gemeinsam mehr erreichen). Ab 6 Personen kann man von einem Team sprechen, eventuell mit kleineren Untergruppen. Da im Team auf Kommunikation aufgebaut werden muss, könnten regelmäßige Workshops hierzu helfen.

Zu vermeiden sind die 5 Dysfunktionen:
1. Mangel an Vertrauen,
2. Angst vor Konflikten,
3. Mangelndes Engagement,
4. Keiner fühlt sich verantwortlich,
5. Kein Fokus auf das Ergebnis.

Merke: das nächste Level zu erreichen ist kein Selbstläufer. Jeder muss seinen Beitrag leisten.

Es folgt die nächste Aufgabenstellung: „Postcard to Grandma“ – eine DIN-A5-Postkarte an die Oma verfassen, mit der man zum Mittagessen verabredet war, ihr aber wegen dem Workshop absagen muss. Diese Übung zeigt, wie weit das Team ist und wie weit es kommen möchte. Jeder liest seine Karte vor, die dann ebenfalls in der Mitte des aus Stühlen gebildeten Kreises gelegt wird. Geschrieben wurde unter anderem: ich möchte lernen, wie ein Team besser funktioniert; ich kann sicher viele Informationen für mein künftiges Arbeitsleben und mein privates Umfeld mitnehmen; wie gebe ich Arbeit ab oder wie arbeitet ein Team besser; ich will meinen Horizont erweitern, im beruflichen und privaten Kontext weiterkommen. Interaktion (Betroffene zu beteiligen) ist im Team ein wichtiges Thema.

Deshalb wird, dem Auftrag Spiel- und Lernkultur folgend, die nächste Etappe gestartet: „Strippenzieher“. Verwendet wird das Tool Teamnavigator, bei dem es gilt, einen Stift über ein Holzbrett vom Startpunkt aus über Zwischenstopps bis ans Ziel zu navigieren. Es ist eine Methode ohne viele Regeln und Rollen, „The Circle Way“ genannt. Jeder Teilnehmer stellt sich um das Brett herum auf und hält dabei ein oder zwei Strippen in der Hand. Wichtig: die Strippen so zu spannen und zu lockern, dass der Stift innerhalb einer aufgezeichneten Straße bleibt. Diese Übung zeigt die Qualität (Weg des Stiftes) der Gruppe und ist zugleich eine Qualitätskontrolle (Ankunft an den gelben Zwischenstopps). Jeder Zwischenstopp enthält eine Karte mit unterschiedlichen Uhrzeiten und Fragen. Zusammengesetzt bilden die Karten eine Agenda des Workshops. Los geht’s! Gesteuert durch Rufen von Namen und Farben der Fäden, dem Spannen und Lockern ebendieser, wandert der Stift über das Feld. Bei jedem Zwischenstopp wird eine Karte vorgelesen und von den Teilnehmern beantwortet, bevor es zum nächsten Zwischenstopp und letztlich zum Ziel geht.

10:00 Uhr: Gut gestartet? Wie ist es Euch im Kreis ergangen? – Die Teilnehmer erklären, dass man im Kreis offener und lockerer sitzt, sich aber auch beobachteter fühlt, weil man sich nicht hinter dem Vordermann verstecken kann.

10:40 Uhr: Durch die Kurven, durch den Tag! Der Teamnavigator. Ein Tool zum erfahrungsorientierten Lernen (EOL). Was war hilfreich, um gut durch die Kurven zu kommen? – Die Gruppe ist sich einig: Kommunikation, Geduld, Einbringung jedes Einzelnen. Die gemachten Erfahrungen werden reflektiert und umgesetzt, das Navigieren fällt leichter.

11:20 Uhr: Es gibt viele Wege zu lernen. EOL ist ein guter Weg, da gemeinsame Erfahrungen gemacht werden, auch in der Interaktion mit dem Tuch. Wie wurde eben die Entscheidung getroffen? Kennt Ihr das aus Eurem Alltag? – Das Leben besteht aus Kreuzungen. Entscheidungen fällt man oft aus einem Bauchgefühl heraus, auch in beruflichem Kontext.

11:40 Uhr: Das System TEAM erfahren. Jetzt malt aber erst mal mit System. Und zwar einen Gegenstand, den man ohne Erklärung erkennen wird. Viel Spaß! – Das Team berät sich kurz und entscheidet sich für ein Herz. Durch Spannung und Lockerung der Fäden zeichnet der Stift ein nicht ganz perfektes Herz, das jedoch erkennbar ist.

12:00 Uhr: Pause und Mittagessen, und wie wir informellen Austausch fördern können. Wie habt Ihr den Austausch beim Malen wahrgenommen? – Das Herz war schnell gefunden, die Umsetzung stagnierte teilweise, es gab eine aktive und eine passive Gruppe. Man muss aufeinander hören, damit sich jeder mit der Entscheidung identifizieren kann.

12:45 Uhr: Vom ich zum wir mit dem TEAM2. Welche Stärken nehmt Ihr bei Euch bei dieser Aufgabe wahr? – Bei der Aufgabenbewältigung geholfen haben: Kommunikation, Fehler durch Erfahrungswerte ausbessern, ein steigendes Vertrauen.

13:30 Uhr: Miteinander – Füreinander. Der STACKMAN zeigt Euch wie Ihr besser werden könnt. Wie wollt Ihr diesmal die Entscheidung über den Weg treffen? Geht es besser als beim letzten Mal? – Es gibt nur links oder rechts. Beide Wege werden analysiert. Das Team berät sich. Die Entscheidung fällt: Links, weil der Weg breiter und weiter weg vom Rand ist.

14:30 Uhr: Catch the day, denn Ihr seid fast am Ziel. Wie war es für Euch? Wo würdet Ihr das Tool einsetzen? – Mit dem Tool Teamnavigator können Geschichten eingebunden werden. Man lernt sich besser kennen, nutzt spielerisch die Motorik, kann das Vertrauensverhältnis prüfen und die Kommunikation im Team fördern. Die letzte Etappe führt den Stift sicher ins Ziel. Der Zieleinlauf läutet zugleich eine kurze Pause ein.

Für die nächste Interaktion stellen sich alle Workshop-Teilnehmer im Kreis auf. Vor ihnen ist ein rotes Tuch wie ein Seil gespannt, an dem sich alle festhalten. Auf dem Flipchart wird festgehalten, wie sich alle in dieser Situation fühlen: (an)gespannt, unter Druck, es ist anstrengend, verantwortungsvoll (lässt einer los, fallen wohl alle um). Der Kreis wird gehalten, weil alle wortwörtlich an einem Strang ziehen. Es besteht eine Verbindung (symbolisch das Tuch), man verlässt sich auf die anderen. Nun soll das Seil über den Kopf hinweg über den Rücken bis an den Po gezogen und dort gehalten werden. Aus dieser Situation heraus sollen die Teilnehmer nun sagen, was sie als Klasse verbindet: Mittagspause, Abschluss als gemeinsames Ziel, beisammen sein. Jeder Teilnehmer erhält nun eine Karte mit einer Zahl. Die Aufgabenstellung: die Person, deren Zahl aufgerufen wird (auch in zweistelligem Kontext), muss ihre Position wechseln, wobei darauf zu achten ist, dass die Spannung am Seil und somit das gebildete System erhalten bleibt. Herr Guischard ruft die ersten Zahlen, die Zahleninhaber wechseln ihre Positionen. Die Zahlen werden mal in schneller, mal in langsamer Abfolge genannt, wodurch hektische oder ruhigere Phasen entstehen. Wie wird die Situation empfunden? Bei langsamer Zahlenabfolge ist es entspannter, sich eine neue Position zu suchen. Bei schneller Abfolge entsteht Hektik, die Spannung ist schwerer zu halten. Die Teilnehmer sollen das Seil nun hinter die Schulter legen und sich auf den Boden setzen. Es entsteht eine ruhige und entspannte Situation. Das gilt auch für den Alltag: bei Hektik erst einmal runterkommen, sich wieder auf das Wichtige fokussieren. Die Interaktion hat gezeigt, dass im Team Rücksicht aufeinander genommen wurde, genügend Teilnehmer blieben stehen, um das Seil gestrafft zu lassen. Der Kreis blieb erhalten.

In Gruppen entstehen oft Konflikte wegen dem sogenannten Karma-Dreieck, bei dem es Opfer, Täter und Retter gibt. Greift ein Retter in einen Konflikt zwischen Opfer und Täter ein, ist dies sicher gut gemeint, wird aber oft schlecht umgesetzt. Im schlimmsten Fall wird der Retter zum Täter, der Täter zum Opfer – die Rollen verschieben sich. Um dies zu vermeiden, sollten Ziele und Probleme schon im Vorfeld definiert, die Beziehungen im Team beachtet und Betroffene zu Beteiligten gemacht werden. Man muss klären, in welcher Phase ein Team ist (Forming, Storming, Norming, Performing), da dies selten von allen gleich empfunden wird.

Bei der nächsten Interaktion soll jeder Teilnehmer an „seinem Arbeitsplatz“ ein Quadrat bauen. Jeder hat bereits ein Teil, andere liegen in der Mitte. Der Startschuss fällt. Kleinere Teams bilden sich, Teile werden ausgetauscht. Nicht jeder hat am Ende ein Quadrat vor sich liegen. Das Problem soll analysiert werden. Für einen besseren Überblick treten alle Teilnehmer ein wenig zurück. Ist die Aufgabe mit den vorhandenen Teilen lösbar? Wird nach Farben zusammengebaut? Eine Strategie soll gefunden werden. Wem fehlt welches Teil? Am effektivsten erscheint es, in einem leeren Feld ein Quadrat zu bauen, um zu sehen, welche Teile dann noch übrigbleiben. Das eben Beschlossene wird umgesetzt und die Aufgabe innerhalb kurzer Zeit gelöst. Bei dieser Interaktion haben Kommunikation, der Glaube es zu schaffen, Gesamtüberblick verschaffen, Zeit nehmen und Kreativität geholfen. Die Teilnehmer mussten sich auch im Schulalltag bei der Erstellung des Abschlussprojekts hinsichtlich Designs und Inhalten abstimmen und miteinander kommunizieren, um zu einem Ergebnis zu kommen. Man musste sich darauf verlassen können, dass jedes Team die ihm zugeteilten Aufgaben rechtzeitig vorlegt. Ein großer Zusammenhalt sowie das Setzen von Terminen waren wichtige Faktoren. Ebenso unterschiedliche, Kreativität fördernde Ansätze und Ideen, die immer weiter ausgebaut wurden. So kam die Klasse auch zu diesem Teambuilding-Event. Die ersten Ideen wie Kegeln oder Klettergarten hätten keinen Mehrwert geboten. Und mit Blick auf das inhaltliche Thema des Spektrums hat man sich letztlich für dieses Event entschieden. Der Workshop hat Anregungen für die weitere Arbeit am Spektrum geliefert: für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) sollen wöchentliche Meetings stattfinden, Aufgaben notiert und im Team besprochen werden. Kann der Zeitplan von allen eingehalten werden oder benötigt jemand Unterstützung? Wichtig sind Reviews und Retros. Beim Review betrachtet man das Ergebnis: Zahlen, Daten und Fakten. In Retros wird die Art und Weise besprochen. Wie fühlt man sich bei der Arbeit besser und wie kann ein besseres Arbeitsergebnis entwickelt werden? Dies entspricht dem Deming-Kreis, dem sogenannten PDCA-Kreis (Plan, Do, Check, Act), bei dem es um lessons learned geht. Es ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, bei dem man Erkenntnisse umsetzt und auf nachfolgende Runden überträgt. Jedes Unternehmen strebt dies an: kontinuierliches, lebenslanges Lernen und eine damit einhergehende Verbesserung.

Mit dem Team ins Ziel!
Die letzte Runde wird eingeläutet: jeder soll auf zwei Karten notieren, was er aus dem Workshop mitnimmt und was er im Alltag anwenden möchte. Die Karten werden vorgelesen und an eine Pinnwand geheftet. Mitgenommen wird, wie man an Sachen rangeht, dass Aufgaben analysiert und als Ganzes betrachtet werden müssen, dass man sich Zeit nehmen sollte, dass es auch auf Zwischenmenschlichkeit ankommt, dass man sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam an Lösungen arbeiten sollte, dass man am besten Theorie und Praxis verbindet. Es war spannend und hat Spaß gemacht, die Klasse privat besser kennenzulernen. Im Alltag soll künftig angewendet werden: Neuem gegenüber offen zu sein, Geduld füreinander aufzubringen, mehr zu kommunizieren, Konflikte zu vermeiden, Schwächere zu unterstützen und Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Am Ende des Workshops bedankt sich Herr Guischard bei der Klasse für den tollen Tag und wünscht allen viel Erfolg beim Abschluss. Jeder erhält noch ein Zertifikat für die erfolgreiche Teilnahme am Workshop „Erfolgsorientiertes Lernen“.

Text: Tanja Anika Veutner 
Fotos: Patrick Stotz 

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